Gemeinsam für Zukunftsperspektiven von urban refugees in Kampala

Hoffnungsgeschichten aus der Kooperation von Caritas Kampala und der Diözese Rottenburg-Stuttgart

Foto: Caritas Kampala

Uganda ist, nach der Türkei und Kolumbien, zusammen mit Pakistan eines der größten Aufnahmeländer für­ Flüchtlinge weltweit. Nach den aktuellsten Zahlen des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR, 2019) leben in Uganda 1,4 Mio. Geflüchtete, mit steigender Tendenz. Die meisten Flüchtlinge kommen aus dem Südsudan, gefolgt von der DR Kongo und Burundi. Sie kommen in großen Camps vor allem im Norden des Landes unter, wo sie über das UNHCR und andere internationale Organisationen eine Grundversorgung erhalten. Anders als beispielsweise in Deutschland können sich geflüchtete Menschen auch frei im Land bewegen. Daher zieht es viele auf der Suche nach Arbeit in den Großraum Kampala. In den Slums dort leben rund 80.000 Flüchtlinge, sogenannte urban refugees. Im Gegensatz zum Leben in den Flüchtlingscamps erhalten sie hier keinerlei Grundversorgung. Wenn sie nicht genügend Auskommen auf dem informellen Arbeitsmarkt finden, müssen sie mit der einheimischen Bevölkerung um die Angebote karitativer Einrichtungen konkurrieren. Dies führt zu Spannungen zwischen den neu Zugezogenen und den Menschen vor Ort.

Die Caritas der Erzdiözese Kampala hat daher ein Programm zur Integration der urban refugees ins Leben gerufen. Die Arbeit setzt an vielfältigen Punkten an, um einerseits die Lebensbedingungen der Geflüchteten zu verbessern und andererseits mehr Verständnis und Respekt zwischen der Aufnahmegesellschaft und den Neuankömmlingen zu befördern. Bei allen Angeboten für Flüchtlinge wird daher darauf geachtet, dass auch ein kleiner Anteil von bedürftigen Einheimischen berücksichtigt wird.

Sicherung der Existenzgrundlage

Zur Linderung der größten materiellen Not werden Essenspakete ausgegeben, etwas Bargeld pro Haushalt, dazu Mietbeihilfen und Zuschüsse zu notwendigen Medikamenten. Diese Hilfen mussten in der Folge des pandemiebedingten, sehr strikten Lockdown in Uganda im Frühjahr 2020 stark ausgeweitet werden. Die meisten Geflüchteten hatten im informellen Sektor gearbeitet, etwa als Straßenverkäufer, Näherin oder Mechaniker im Hinterhof. Sie standen durch den Lockdown von einem Tag auf den anderen ohne Beschäftigung und ohne jedes Einkommen da. Durch zwei Covid-19-Nothilfeprojekte der DRS und Caritas Kampala konnten diese lebenssichernden Hilfen zuerst auf 475 und inzwischen auf 800 Menschen ausgedehnt werden. Im Gespräch mit den Menschen bemerken die Mitarbeiter von Caritas Kampala auch Lücken im Zuschnitt der Hilfspakete und passen sie für Folgeprojekte an. Die Pakete enthalten nun auch Alltagsmasken, Zusatznahrung für stillende Mütter und wiederverwendbare Menstruationskits für alle Frauen und Mädchen.

Als zusätzliche Präventionsmaßnahme gegen Covid-19 klärt Caritas Kampala über  Radiospots und flächendeckenden SMS-Versand urban refugees und Einheimische über die Risiken von Covid-19 und nötige Schutzmaßnahmen auf.

Aline Nkurunziza,39, Witwe mit zwei Kindern, 2015 aus Burundi nach Uganda geflüchtet: „Früher hatte ich ein miserables Auskommen, ich kam bei Bekannten unter, zog immer vom Einen zum Anderen (…) Ich hatte mit verschiedenen Existenzproblemen zu kämpfen und dachte über Suizid nach. Aber das Programm von Caritas Kampala hat mir geholfen die Miete zu zahlen und so kann ich jetzt mit meinen Kindern in einem eigenen Zuhause leben. Caritas Kampala hat mir auch ein Kunsthandwerks-Training ermöglicht, womit ich etwas dazu verdienen kann.“ Aline Nkurunziza kann auch Schneidern. Aber ihre erste Nähmaschine wurde gestohlen -  auch hier kam Caritas Kampala zur Hilfe und stellte ihr eine Neue zur Verfügung.

Ausbildung für Zukunftsperspektiven: Kunsthandwerk als Einkommensquelle

Angeleitet von einer professionellen Korbflechterin wurden 30 TeilnehmerInnen im September 2020 in einem 14-tägigen Kurs in der traditionellen Kunst des Korbflechtens ausgebildet. Wegen der Pandemie-Auflagen musste das Caritas-Team dafür eine Sondererlaubnis der Behörden beantragen. Sie wurde erteilt, da auch die Behörden das Potential dieser Ausbildung für die künftige Eigenständigkeit der TeilnehmerInnen erkannten. Der Kurs fand auf einer Wiese statt, mit Masken und entsprechenden Abständen. Nach ihrer Ausbildung bildeten die TeilnehmerInnen zwei Selbsthilfegruppen zur gegenseitigen Unterstützung. Sie sparen gemeinsam, um in ihr Business investieren zu können, arbeiten Seite an Seite und vertiefen so auch ihre handwerklichen Fertigkeiten. Eine der Gruppen hat in den Gemeinderäumen der Pfarrei Mengo Kisenyi den Platz für ihre Treffen gefunden. Ein großer Erfolg für die Gruppe ist es, dass sie einen Vertrag mit „All Across Africa“ abschließen konnte, einem Fairhandelsunternehmen, das ihre hochwertigen Körbe in westliche Länder exportiert.

MPALANYI SOLOMON, 26, aus Uganda: „Ich möchte das Korbflechten zu einer großen Sache in meinem Leben machen, um meinen Lebensstandard zu verbessern indem ich verschiedene Handwerksprodukte für den Verkauf herstelle. Ich möchte auch Jugendliche aus meiner Gegend einbeziehen, damit ich meine Fähigkeiten an die Arbeitslosen weitergeben kann, damit auch sie ihren Lebensunterhalt verbessern können.“

Caritas Kampala organisiert für Geflüchtete und einige Einheimische außerdem Kurse zu grundlegenden Finanzkompetenzen, Business-Skill-Trainings und Englischunterricht für Geflüchtete aus frankophonen Ländern wie DR Kongo, Burundi und Ruanda.

Auch im Bereich der Schulungen hat Caritas Kampala mithilfe der DRS auf die Auswirkungen der Corona-Epidemie reagiert. Als langfristige Strategie neben der akuten Nothilfe werden insgesamt 100 weitere Menschen geschult und mit Startmaterial ausgestattet. Je 30 TeilnehmerInnen machen Kurse in Korbflechten, in der Herstellung von Flüssigseife und im Anbau von Pilzen. Flüssigseife ist in der Pandemie zum begehrten Gut geworden und auch Pilze sind immer gefragt. Der Vorteil der Pilzzucht ist, dass sie im kleinsten Hinterhof oder sogar drinnen gelingt. Außerdem werden 10 bereits ausgebildete Näherinnen mit Nähmaschinen ausgestattet. Mit diesen innovativen Ideen eröffnet Caritas Kampala den Menschen wieder eine Zukunftsperspektive. 

Ausbildung in Berufsschulen

Für 30 junge Menschen ermöglicht das Programm eine Ausbildung in einer der katholischen Berufsschulen in den Vierteln Ndeeba, Nsambya und Mengo Kisenyi in den Berufsfeldern Schneiderei, Friseurhandwerk und Catering. Wenn die Auszubildenden die dreimonatige Ausbildung erfolgreich abschließen, erhalten sie ein staatlich anerkanntes Zertifikat zur Ausübung des jeweiligen Berufs. Wegen der Corona-Beschränkungen konnten die Auszubildenden erst im Februar 2021 beginnen. Caritas tauscht sich mit den Tutoren der Schulen auch über die besonderen Probleme der Geflüchteten aus. Einige haben sprachliche Barrieren oder Schwierigkeiten beim Schreiben und Zeichnen. Aber besonders belastet sind sie durch vielfältige Verantwortlichkeiten: Verwandte sind von ihnen abhängig, einige sind Teenagermütter, andere haben kranke Angehörige, die sie pflegen. Daher ist die Empfehlung für die Zukunft, die Ausbildung von drei auf sechs Monate auszuweiten, so dass den Auszubildenden genug Zeit bleibt, alle Lerninhalte aufzunehmen.

Stärkung der Flüchtlingspastoral und Sensibilisierung

Als der Lockdown im Oktober `20 gelockert und wieder Präsenzveranstaltungen möglich waren, fanden Treffen auf Dekanatsebene statt. In vier Schulungen mit durchschnittlich 30 TeilnehmerInnen haben sich die Kirchengemeinderatsvorsitzenden und die Verantwortlichen für Caritas, Justice and Peace der 70 Gemeinden in der Erzdiözese Kampala über die Rechte und Pflichten von Flüchtlingen und insbesondere der urban refugees befasst. Die Flüchtlingspastoral soll so noch fester in den Gemeinden verankert werden.

Sobald die Rahmenbedingungen es wieder zulassen, sollen auch mit größeren Gruppen in den Gemeinden Gespräche über das Zusammenleben mit Geflüchteten geführt werden. Ein Raum für Sensibilisierung und Aufklärung einerseits, aber auch für die Artikulation von Ängsten und Problemen. Dazu hat Caritas Kampala bereits 33.500 Flyer und 1000 Poster in den Gemeinden der Erzdiözese verteilt.

Im katholischen Radio Sapientia, das eine Reichweite weit über Kampala hinaus hat, hat Caritas Kampala außerdem 10 Talkshows zum Thema veranstaltet.

Trainings zu friedlicher Konfliktbewältigung

60 Community Leader aus Flüchtlings- und Gastgebergemeinden gewannen in Trainings ein tieferes Verständnis für Frieden, Gerechtigkeit und Konflikte. Konflikte treten auf vielfältigen Ebenen auf – zwischen Geflüchteten und Einheimischen, entlang ethnischer Zugehörigkeiten unter den Geflüchteten und auch innerhalb von Familien. Die Teilnehmenden sind angesehene Persönlichkeiten, die innerhalb ihrer Gemeinschaft Verantwortung tragen. Sie können friedliche Konfliktlösungsstrategien als Multiplikatoren in ihren Gemeinschaften stärken. Emmanuel Nsabimana, verheiratet, vier Kinder, 1999 aus Ruanda geflüchtet: „Das Training hat mich mit Fähigkeiten zur Konfliktlösung ausgestattet, durch die ich auf mehrere Auseinandersetzungen reagieren konnte (…) Im Laufe der Zeit ist es mir gelungen, die Einstellung einiger Mitglieder der urban refugee Gemeinschaft zu ändern, die rassistische Tendenzen gezeigt haben.“

Rechtsunterstützung

In 14 Fällen konnte Caritas Kampala zusammen mit dem Catholic Centre for Legal Aid Geflüchteten Rechtsbeistand leisten: Bei der rechtlichen Anerkennung eines Flüchtlings- oder Asylsuchenden-Status, in Fällen von häuslicher Gewalt, bei Landkonflikten und bei Gewaltdrohungen. Eine Erfolgsgeschichte erzählt von Marie Apamba, einer alleinerziehenden Mutter von vier Kindern aus dem Kongo. Der Vater der Kinder hatte die Familie verlassen und sie hatte keinerlei Einkommen, obwohl sie eine erfahrene Automechanikerin und Fahrerin ist. Caritas Kampala half ihr, eine lokale Fahrerlaubnis zu bekommen und sie arbeitet nun als Fahrerin für Ärzte ohne Grenzen.

Die Diözese Rottenburg-Stuttgart finanziert das Programm von Caritas Kampala zur Integration der urban refugees mit 140.000,- € für die Jahre 2020 und 2021 aus dem Fonds für weltkirchliche Flüchtlingshilfe. Die Covid-19-Nothilfeprojekte wurden mit 28.000,- € für Mai – August 2020 und 60.000,-€ für Dezember 2020 – Mai 2021 ebenfalls aus den Mitteln für weltkirchliche Flüchtlingshilfe unterstützt.

Eva Binder-Aklender, Regionalreferentin