Globale Kompetenz für zukunftsfähige Kirchen

Kein "nice-to-have": Ökumenischer Strategietag zur Entwicklungszusammenarbeit am 27. Januar 2022 rückt den Reichtum interkulturellen Lernens und des internationalen Austauschs für die Zukunftsfähigkeit der Kirchen in Baden-Württemberg in den Fokus.

Zukunftsfähige Kirchen? Manch eine mag bei diesem Titel ins Grübeln gekommen sein, denn die Gegenwart der (vermeintlich) großen Kirchen in Baden-Württemberg ist derzeit eher von Austritten und Kürzungen gekennzeichnet. Manche, darunter auch die Veranstaltenden der ökumenischen Koordination, dachten sich: Gerade jetzt müssen Weichen für die Zukunftsfähigkeit gestellt werden. Und dabei spielen Globales Lernen und die dadurch erworbene Globale Kompetenz eine wesentliche Rolle – zumindest wenn man den Beiträgen des Ökumenischen Strategietags 2022 folgt, der am 27. Januar digital auf Einladung der Erzdiözese Freiburg stattgefunden hat.

Volker Schebesta, Staatssekretär im Kultusministerium, sieht im Globalen Lernen und in der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) große Chancen. Schließlich müsse man jungen Menschen kaum vermitteln, was die Relevanz des Themas ausmacht. Wie wollen wir in Zukunft leben? Wie können wir Veränderungen gestalten? Das dafür notwendige Transformationswissen könnten allerdings die Schulen allein nicht vermitteln, dafür brauche es starke zivilgesellschaftliche Netzwerke, wobei die Kirchen durch ihre Kontakte in den globalen Süden zentrale Begegnungs- und Motivationsorte einbringen könnten.

Anschaulich wurde dies, als Barbara Winter-Riesterer von ihren Exposure-Erfahrungen beim Pastoralinstitut Bukal auf den Philippinen berichtete. Die Verantwortliche für die diözesane Kirchenentwicklung in Freiburg ist sich sicher, dass dort das Wesentliche – trotz aller Unterschiede –gelernt werden könne: Es komme auf eine gemeinsam geteilte Vision an, die die Bereitschaft zur Veränderung wecke. Das wüssten die Verantwortlichen auf den Philippinen genau, weshalb sie bei ihren pastoralen Veränderungsprozessen auf maximale Partizipation und eine klare Lebensweltorientierung setzen: Welche Relevanz hat das Evangelium für die (Stadt-)Gesellschaft, die Umwelt, die Menschen?

Ernüchternd hingegen fiel die Resonanz derjenigen aus, die in Zukunft Verantwortung für BNE und die Kirchen tragen werden. Die Theologiestudierenden Jannik Schwab und Barbara Müller stellen fest: Obwohl es viele Anknüpfungspunkte für BNE im katholischen Religionsunterricht gäbe, falle das Thema als Studieninhalt aus. Auch Dr. Stephen Lakkis, Vikar in der Badischen Landeskirche, hält fest, dass globale, internationale und ökologische Perspektiven in der berufspraktischen Ausbildung völlig fehlten. Und er stellt die zentrale Frage: Wollen unsere Kirchen sich überhaupt für das Andere, das Fremde öffnen? Sind sie offen für die Zukunft? Er sei da oft am Zweifeln.

Stefan Hermann, Leiter des Pädagogisch-Theologischen Zentrums in Stuttgart-Birkach, betont: Es gehe nicht um die Sicherung der Zukunft der Kirche, sondern um die Bewahrung des Gemeinsamen Hauses. Dafür brauche es eine klare Haltung zur Zukunft: Veränderung nicht als Gefahr ansehen, die Angst auslöst, sondern – durch das Evangelium zur Hoffnung befreit – auf mehr Veränderung drängen, hin zu mehr Teilhabe für alle Menschen in einer intakten Schöpfung. Haltung erwerbe man allerdings nur durch Begegnung und Erfahrung – ein klares Plädoyer für BNE, interkulturelles Lernen und internationalen Austausch.

Dr. Wolf-Gero Reichert