GLOBAL GESEHEN – der Kommentar

von PD Dr. Andrea Schlenker

Antidemokraten darf nicht das Feld überlassen werden.

Seit geraumer Zeit geben die AfD und andere populistische Akteure zu komplexen Fragen der Politik vermeintlich einfache Antworten, oft verknüpft mit Ablehnung von Migration und Vielfalt. Sie diskreditieren demokratische Aushandlungsprozesse und bringen so ihre spaltende Agenda voran. Damit finden sie Zuspruch auch bei Personen, die sich nicht eindeutig dem extremen Spektrum zuordnen lassen. Auch von demokratischen Parteien wurden immer schon und werden aktuell ausgrenzende Haltungen und Politiken insbesondere gegenüber Arbeitslosen, Einkommensarmen, Ausländerinnen und Ausländern sowie Deutschen mit Migrationshintergrund vertreten. Nicht nur, aber besonders mit Blick auf Migrationspolitik und Asyldebatten zeigt sich, dass ausgrenzende Haltungen und menschenverachtende Sprache vermehrt als „normal“ angesehen werden.  

Rechtsextreme Einzelpersonen und Gruppen zeigen ihre Pläne zunehmend unverhohlen. Dies wurde anlässlich des Correctiv-Berichts über ein “privates” Treffen in Potsdam und dem dort diskutierten „Masterplan“ zur Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund erneut offensichtlich. Getarnt durch den Begriff „Remigration“ werden Menschenrechte mit Füßen getreten. Die jüngsten Enthüllungen sind schockierend und reihen sich ein in Vorkommnisse der Vergangenheit: Rechtsextreme gefährden unsere Demokratie, den liberalen Rechts- sowie unseren Sozialstaat! Sie zielen darauf ab, die Grundlagen unseres Zusammenlebens nachhaltig zu beschädigen und zu zerstören. Der aus Verfassung und Menschenrechten gebildete Wertekanon wird offen angegriffen und Menschenwürde selektiv verstanden. Die innere Logik fußt auf Gewalt – gegenüber Randgruppen, politisch Andersdenkenden, Außenseitern und jedem, der willkürlich zu einem solchen deklariert wird. In Deutschland finden diese Kräfte zumindest in Teilen der AfD, die vom Verfassungsschutz als Beobachtungsfall eingestuft wird, auch eine parlamentarische Vertretung.   

Doch die Gefahr geht weit über die rechtsextreme Szene und den demokratiegefährdenden Einfluss der AfD im Bundestag hinaus. Es geht insgesamt um unsere politische Kultur und die Art und Weise der demokratischen Auseinandersetzung um politische Ziele und Maßnahmen. Der Jargon rechter (Kampf-)Begriffe ist bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Zunächst harmlos erscheinende, im Kern aber undemokratisch und menschenverachtende Äußerungen und Verlautbarungen von Politikern infiltrieren schleichend die Gesellschaft. Doch unersättlichen extremistischen Tendenzen kann nicht mit blindem Rechtsruck begegnet werden. Den Antidemokraten darf nicht das Feld überlassen bleiben.  

Was gilt es zu tun? Niemand kann sich zurücklehnen, wir alle sind betroffen. Alle, die auch künftig in einer Demokratie leben möchten, die untrennbar mit der Achtung von Menschenrechten für alle verbunden ist, dürfen nicht zusehen und schweigen. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, dass es ein „weiter so“ nicht geben darf. Die Verharmlosung rechtsextremer Umtriebe und die teilweise Übernahme von Forderungen aus diesem Milieu durch Politikerinnen und Politiker demokratischer Parteien hat uns in diese bedrohliche Lage gebracht. Klare Kante ist hier erforderlich. Die wehrhafte Demokratie muss sich auch in der Umsetzung zeigen, alle rechtsstaatlichen Mittel müssen genutzt werden, sie zu schützen. Darüber hinaus müssen Debatten um Scheinlösungen enden, die ausgrenzen und stigmatisieren. Sachgerechte und weitsichtige Politik schützt die Menschenwürde und ermöglicht Teilhabe von allen.  

Die Caritas steht für ein Menschen- und Weltbild der Solidarität, der gegenseitigen Unterstützung und der Hilfe für die Schwächsten – auf der Grundlage einer verfassungsmäßigen Ordnung, die die Rechtsstaatlichkeit, die Menschenrechte, den Sozialstaat und die Demokratie achtet. Damit ist sie nicht allein: viele Hunderttausende gehen seit Wochen auf die Straßen und zeigen ihre Unterstützung für Demokratie, Menschenrechte und gegen menschenverachtende Hetze. Die Kampagne der Caritas 2024 möchte unter dem Motto „Frieden beginnt – Demokratie gewinnt“ ermutigen, sich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen, in der Politik, in der Öffentlichkeit, am Arbeitsplatz, im Alltag. Im Konzert mit vielen anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren und Bündnissen formiert sich ein Bollwerk gegen antidemokratische Kräfte, das sich lediglich in einer Hinsicht etwas von den Rechten abgucken sollte: strategisch geschickt, transnational und wirkungsvoll zu agieren, um der menschenverachtenden Minderheit Paroli zu bieten und unsere demokratische Kultur und Struktur, um gesellschaftlichen Zusammenhalt und Frieden zu schützen.  

Dr. Andrea Schlenker ist Privatdozentin und Leiterin des Referats Migration und Integration in der Freiburger Bundeszentrale des Deutschen Caritasverbands.

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