Bürokratie verhindert Chancengleichheit: Siebte Generation Reverse-Freiwilliger tritt nur teilweise ihren Dienst an

Wernau | Neun junge Menschen aus Lateinamerika und Indien wurden am 3. Oktober 2018 beim Willkommensgottesdienst offiziell begrüßt und in ihre Einsatzstellen in der Diözese ausgesendet. Eigentlich hätten es in diesem Jahr erstmals zwölf junge Menschen aus drei Kontinenten sein sollen. Doch die Erfahrung mit einigen deutschen Botschaften zeigt: nicht allen BewerberInnen wird die Einreise nach Deutschland und somit die Teilnahme am staatlich geförderten Freiwilligendienst ermöglicht.

Was in den deutschen Botschaften Lateinamerikas zur normalen Routine gehört, wird offensichtlich in den diplomatischen Vertretungen in Kampala, Uganda und Bangalore, Indien anders interpretiert. Wer aus diesen Ländern kommt, muss vor allem zwei Dinge präsentieren können: einen Lebenslauf, in den ein Freiwilligendienst nach Maßgabe der Botschaft passt und einen Nachweis über den Rückkehrwillen. Obwohl alle jungen Menschen von den langjährigen weltkirchlichen Partnern vor Ort mit größter Sorgfalt ausgesucht und vorbereitet wurden und alle einen gültigen Arbeitsvertrag vorweisen können, wurde drei von ihnen ein Visum im ersten Anlauf verweigert. Bei einer Uganderin wurde die Entscheidung auch nach Widerspruch aufrechterhalten. Selbst ein zu den notwendigen Unterlagen gehörendes Begleitschreiben des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat nicht zum gewünschten Ergebnis geführt. Zwei weitere Prozesse sind noch in Bearbeitung. „Wir haben den Eindruck, dass die Einwanderungsdebatte auf dem Rücken von Freiwilligendienstleistenden ausgetragen wird. Eine staatliche Institution verhindert damit die Umsetzung des BMZ-Programms „weltwärts“: Dessen Süd-Nord-Komponente sollte eigentlich internationalen Freiwilligen den gleichen entwicklungspolitischen Lern- und Austauschdienst ermöglichen wie Deutschen in Übersee“, äußert sich Theresa Kucher, Referentin für den Reverse-Weltkirchlichen Friedensdienst, schockiert über die erlebte Ungerechtigkeit. „Ich hatte mich vor allem darauf gefreut, den jungen Frauen aus Uganda und Indien diese Erfahrungen hier zu ermöglichen.“

Die anderen neun Freiwilligen zeigen sich ebenfalls vom Fehlen ihrer KurskollegInnen betroffen. Dennoch starteten sie vergangene Woche motiviert in ihren ersten Arbeitsmonat in Kindergärten, sonderpädagogischen Einrichtungen, Kirchengemeinden und Tafelläden. Die Einsatzorte bestehen in diesem Jahr aus einem bunten Mix aus erfahrenen und neuen Kirchengemeinden: Aalen, Balingen, Bad Waldsee, Gundelsheim, Heidenheim, Hohenheim, Metzingen, Oberndorf a.N., Weingarten, Ulm und Zussdorf.
Die Kirchengemeinde Baustetten im Oberschwäbischen, insbesondere der katholische Kindergarten St. Josef, muss auf die Unterstützung durch eine junge Uganderin verzichten. Chancengleichheit sieht anders aus.
Den Reverse-Weltkirchlichen Friedensdienst in der Diözese Rottenburg-Stuttgart gibt es seit September 2012. Idee war und ist, jungen Menschen der Südhalbkugel den gleichen kulturellen Austausch zu ermöglichen, den junge Deutsche mit einem Dienst in Übersee wahrnehmen können. Bislang leisteten insgesamt 46 junge Menschen aus Lateinamerika einen Freiwilligendienst in Deutschland.

Pressemitteilung BDKJ Rottenburg-Stuttgart